Einsatz von Derivaten zur Zinssicherung

28. August 2020

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
heute geht es im Kreistag darum, über den Einsatz von sogenannten Payer-Swaps
als Schuldengestaltungsinstrument zu entscheiden.
Aus Sicht DER LINKEN muss sichergestellt werden, dass
1. aus einem Zinsabsicherungsinstrument kein Spekulationsgeschäft werden kann,
denn der Übergang zwischen beiden ist fließend, und dass
2. der Hauptausschuss und der Kreistag ihr Recht auf Gestaltung des
Kreishaushalts nicht an den Landrat bzw. die Kreisverwaltung. Abtreten.

Um es gleich vorweg zu sagen, DIE LINKE unterstützt sachlich begründete, einfache
Zinsaustauschgeschäfte. DIE LINKE ist deshalb nicht gegen den Einsatz von Payer- Swaps.
Wir sind natürlich für ein gutes und sachgerechtes Zinsmanagement im Kreis und
unterstützen auch die Überlegungen des Kreises, variable Zinsen durch eine
Festzinsvereinbarung über den sogenannten Payer-Swap zu ersetzen, wenn für die
Zukunft steigende Zinsen erwartet werden. Und das ist der Fall.

DIE LINKE akzeptiert den Einsatz von Payer-Swaps zur Gestaltung des
Schuldenmanagement unter der Voraussetzung, dass die geltenden Regelungen
eingehalten werden und dieses Instrument ausschließlich zur Zinssicherung eingesetzt wird.
Es muss sichergestellt werden, dass die Vertragsgestaltung keine spekulativen
Elemente enthält, die über eine vorher festgelegte Bandbreite hinausgeht.
Der Antrag in der vorliegenden Form reicht dafür aber nicht aus, um dieses sicher zu
stellen. Es bedarf einiger Änderungen und weiterer Informationen. Deshalb werden
wir einen Änderungsantrag stellen.

Nun zum Antrag selbst:
Ein jährlicher Bericht nachträglich über Swap-Geschäfte des Kreises, wie er im
Antrag des Landrats vorgeschlagen wird, das ist zu wenig.
Was nützt ein Bericht an die Mitglieder des Kreistages einmal im Jahr, wenn an den
vereinbarten Payer-Swap Geschäften bis zum Ende der Laufzeit nichts mehr zu
ändern ist und nur noch beobachtet werden kann, was finanziell auf den Kreis zukommt.
Der vorliegende Antrag enthält eine Generalvollmacht durch den Kreistag, ohne zu
sagen, in welchem Umfang und in welcher Art Geschäfte gemacht werden sollen.

Der Kreistag muss aber aus Sicht DER LINKEN weiterhin die Möglichkeit haben,
jeweils tagesaktuell über die Finanzen mitzuentscheiden, wie es der Gesetzgeber ja auch vorsieht.
Es kann deshalb nur so sein, dass im Hauptausschuss vor dem Abschluss von
Derivatgeschäften jeweils über Art und Umfang berichtet wird. Der Kreistag muss
außerdem die Kontrolle darüber behalten, dass aus dem Payer-Swap bei der
Vertragsgestaltung durch zusätzliche Komponenten kein synthetisches
Finanzprodukt wird. Anderenfalls gibt der Kreistag einen Teil seiner Finanzhoheit auf.
Das darf nicht sein.

Wir fordern deshalb eine Information des Hauptausschusses, als den für die
Finanzen zuständigen Ausschuss des Kreistags, vor der Aufnahme neuer Kredite.
Dort müssen klare Limits gesetzt werden. Es muss für den Kreistag bzw. den
Hauptausschuss ein Berichtwesen zur Information aller Kreistagsabgeordneten eingeführt werden

Hintergrund dieser Forderung ist die Einschätzung vieler Fachleute, dass der
Übergang von einer reinen Zinsabsicherung hin zur Verwendung der
Zinsabsicherung als Spekulationsinstrument fließend ist. Die Vergangenheit hat es gezeigt.

Bei näherer Betrachtung ist die Abgrenzung zwischen einem zulässigen und nicht
zulässigen Geschäft zur Zinsoptimierung keineswegs eindeutig.

Zu dem Anliegen der Verwaltung alleine Fakten zu schaffen, haben wir vorerst noch
folgende Fragen:
1. Das Kreditinstitut tauscht beim Payer-Swap-Instrument eine feste Zinszahlung ein
gegen einen variablen Zins und lässt sich dieses Risiko vom Kreis bezahlen. Wie
teuer ist dieses Instrument Payer-Swap für den Kreis im Gegensatz zu
langfristigen Krediten?
2. Der Landrat möchte zukünftig in mehreren Fällen bei der Aufnahme von Krediten
die Payer-Swaps als Finanzierungsinstrument einsetzen. Wie wird sichergestellt,
dass unter dem Mantel der Zinsoptimierung aus dem Vertrag kein
Spekulationsgeschäft zu Gunsten der Banken wird. Und ich meine bei meiner
Frage nicht die rechtlichen Vorrausetzung – also die öffentlich rechtlichen
Rahmenbedingungen, auf die sie in der Antragsbegründung hingewiesen haben,
die haben vielen Kommunen in der Vergangenheit nicht vor hohen Zahlungen
bewahrt, sondern die Sicherstellung in der Praxis hier im Kreis.
3. Wer haftet persönlich, wenn die Geschäfte aus dem Ruder laufen? Nur der
Steuerzahler oder ein verantwortlicher Mitarbeiter im Kreis, ggf. welcher?
Ergänzende Sachinformationen zum Thema.
Derivate sind Termingeschäfte und Spekulationsgeschäfte, also Wetten auf die
Zukunft, darauf, wie sich ein bestimmter Basiswert, z. B. der Zins für Kredite,
zukünftig entwickeln wird.
Payer-Swaps gehören zu den Derivatgeschäften, da auf eine zukünftige
Zinsentwicklung spekuliert wird. Allerdings ist die Spekulationsobergrenze bereits
beim Abschluss genau festgelegt (also nicht mehr spekulativ) und der Kreis weis im
Voraus, wie viel er maximal für einen Kassenkredit zu zahlen hat. Der Kreistag und
die Kreisverwaltung können also vorher entscheiden, ob sie bereit sind, für einen
Kredit den geforderten Zinssatz zu zahlen. Je nach Zinsentwicklung und
Vertragsabschluss kann dieser Höchstbetrag auch geringer werden. Spekulativ ist in
diesem Fall nur der Geldbetrag, den der Kreis an Zinsen einsparen kann.

Horror-Beispiel Stadt Pforzheim
Wenn ein Zinsabsicherungsgeschäft spekulative Elemente enthält, dann kann es für
eine Gemeinde oder einen Kreis teuer werden.
Die Stadt Pforzheim 1 hatte 2003 / 2004 im Rahmen ihrer Haushaltskonsolidierung
nach Wegen gesucht, die erhebliche Zinsbelastung, die aus annähernd 130 Millionen
Euro Schulden resultieren, zu optimieren. Eine derartige Optimierung kann durch den
Einsatz von Zinsderivaten, hier so genannte Swaps erreicht werden. Solche
Geschäfte waren damals nach dem Derivate-Erlass des Landes Baden-Württemberg zulässig.
Im Jahre 2003/2004 wurden entsprechende Derivate abgeschlossen mit der
Deutschen Bank, die dann im November 2005 ins Minus rutschten auf etwas mehr
als minus 20 Mio. Euro, nach unten absolut unbegrenzt, sie hätten auch
durchrutschen können, so der heutige Bürgermeister von Pforzheim. 2 Es wurden
weitere Restrukturierungen vorgenommen. Im Oktober 2009 lag der Marktwert der
Swaps bei minus 57 Millionen Euro. 3 Das zeigt, wie wichtig eine Kontrolle von
Derivat-Geschäften durch den Kreistag ist. Abgerechnet wird aber erst am Ende der
Laufzeit des Termingeschäfts.