Landesrahmenvertragsverhandlungen – Verwaltungsbericht des Landrats

28. August 2020

Sehr geehrter Herr Landrat,
vielen Dank für Ihren Bericht, in dem Sie die Situation aus Sicht des Kreises
geschildert haben.
Diese Verhandlungen haben viele Aspekte. Der eine Aspekt ist der Aspekt der
Verhandlungen über den Landesrahmenvertrag selbst, über Hintergründe der
Kündigung, Ziele, Verhandlungsvorbereitung oder Verhandlungsführung.
Ein zweiter Aspekt ist die Informationspolitik, die in diesem Zusammenhang
betrieben wird. Diese ist sehr lückenhaft. Es gibt für die Verhandlungen eine
Unterlage der Koordinierungsstelle soziale Hilfe der schleswig-holsteinischen Kreise
(kurz KOSOZ genannt). Die hat aber nicht jeder.
Wir fragen: Womit haben wir das als Kreistagsabgeordnete verdient?

Herr Landrat,
wir fordern Sie deshalb hiermit auf, dass diese Unterlage allen
Kreistagsabgeordneten umgehend zur Verfügung gestellt wird. Jeder einzelne
Kreistagsabgeordnete muss sich selbst ein Bild davon machen können, was in
unserem Namen verhandelt wird, welches die Ziele der Verhandlungen sind und wie
die direkten und indirekten Auswirkungen des Verhandlungsergebnisses sein werden.

Es geht um die Unterlage der KOSOZ mit dem Titel: „Bestimmungsgründe für die
überproportionale Höhe der Aufwendungen für Eingliederungshilfen in Schleswig-Holstein“.

Herr Landrat,
sagen Sie uns jetzt nicht, dass die KOSOZ diese Ausarbeitung erstellt hat und
deshalb nur sie darüber entscheiden kann, wer sie bekommt und wer nicht. Das wäre
falsch, denn es entscheidet immer derjenige, der das Geld gibt oder das Sagen hat.
Auftraggeber ist in diesem Fall aber der Landkreistag, als die Vertretung der Kreise.
Und das sind wir, sind alle Kreise.

Und mit der Geheimhaltung ist das auch so eine Sache. Wir kennen das alle aus
Aufsichtsräten und Verwaltungsräten. Da werden Dinge für geheim erklärt, die nach
dem Recht gar nicht geheim sind und die auch keine Geheimnisse enthalten.
Wir alle wissen, dass der Hinweis auf Geheimhaltung oft eingesetzt wird, um Politik
zu machen, um Interessen durchzusetzen und das durch das Vorenthalten von
Informationen. Was sollte denn in diesem Fall geheim sein? Es geht ja nur um einen
Rahmen. Es können auch keine Verhandlungsziele verraten werden, denn diese
müssen ja spätestens erst dann benannt werden, wenn man darüber verhandeln will.

Herr Landrat,
sagen Sie auch nicht, dass die Verhandlungen durch den Landkreistag geführt
werden und wir deshalb keinen Einfluss darauf haben, weil wir nur die Kreisebene
sind und nicht der Landkreistag. So geht das nicht: Man kann nicht etwas an andere
delegieren und dann sagen, darauf habe ich keinen Einfluss mehr. So kann man sich
nicht aus der Verantwortung stehlen; auch nicht als Kreis Schleswig-Flensburg.

Jede Verhandlung hat Folgen. Die Verantwortung für die Auswirkungen des
Verhandlungsergebnisses über einen neuen Landesrahmenvertrag trägt der Kreis.
Verantwortlich ist damit auch der Kreistag Schleswig-Flensburg und das sind wir alle
hier im Kreistag.
Bei diesen Verhandlungen geht es um viel Geld für die Träger.
Ein Ziel wird deshalb auch die Nutzung von Einsparungsmöglichkeiten sein. Jede
Änderung von Rahmenbedingungen hat Folgewirkungen, sonst müsste über eine
Änderung des Landesrahmenvertrages nicht verhandelt werden. Und die
Folgewirkungen von Einsparungen treten in den Kreisen ein. Deshalb sind die
Abgeordneten der Kreise auch für diese Auswirkungen mit verantwortlich und haben
ein Recht, darüber informiert zu werden.

Wir Abgeordnete müssten deshalb schon wissen: Welche Auswirkungen gibt es für
die Pflegesituation? Wie ändern sich die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten?
Wie will der Landkreistag sicherstellen, dass von allen Trägern genügend Personal
bereitgestellt wird? Wie will der Landkreistag in der Verhandlung sicherstellen, dass
sich die Belastungen für das Personal nicht durch das Verhandlungsergebnis
erhöhen? Wie soll sichergestellt werden, dass die Tarifverträge von allen Trägern
eingehalten werden, wie, dass die gesetzlichen Arbeitszeitregellungen nicht
unterlaufen werden? Wie wird sichergestellt, dass keine 1-€-Kräfte eingestellt
werden, dass keine Subunternehmer eingeschaltet werden?
Der Kreistag darf hier die politische Verantwortung und Entscheidung nicht aus der Hand geben.

Herr Landrat
sorgen Sie dafür, dass die Abgeordneten des Kreistages dieses Papier bekommen.
Sie müssen uns die Ausarbeitung ja nicht persönlich weiterleiten. Sie werden nur
aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Unterlage endlich an die Abgeordneten weiter
gegeben wird. Dieses – unser Anliegen – verstößt gegen keine Rechtsvorschrift. Es
verlangt nur: Gleiche Information für alle!
Und noch etwas erwarten wir: Das Verhandlungsergebnis muss den einzelnen
Kreistagen zur Diskussion vorgelegt werden, ehe dem Verhandlungsergebnis
endgültig zugestimmt wird, denn dieser Kreistag hat die letzte Entscheidung darüber,
ob der Kreis Schleswig-Flensburg das ausgehandelte Ergebnis mitträgt oder nicht.
Vielen Dank.

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Erläuterungen zum zugrunde liegenden Sachverhalt
Bei der Kündigung des Landesrahmenvertrages geht es um die Gestaltung der
Eingliederungshilfe nach § 79 Abs. 1 SGB XII für Schleswig-Holstein.
Seit dem 01.01.2007 sind die Kreise für die Verhandlungen über die stationäre
Eingliederungshilfe zuständig. Derartige Verhandlungen müssen inhaltlich gut
vorbereitet werden. Zur fachlichen Unterstützung und für die Verhandlung des
Vertrages wurde deshalb die Koordinierungsstelle soziale Hilfe der Kreise errichtet
(abgekürzt: KOSOZ).

Vertragspartner des Landesrahmenvertrages sind als eine von vier kommunalen
Landesverbänden der Landkreistag als Vertretung der Kreise in Schleswig-Holstein,
das Land als überörtlicher Träger der Sozialhilfe sowie acht Vereinigungen der
Einrichtungsträger, der Landesverband der Fachkliniken und der Landesverband
Alten -und Behindertenhilfe.

Bei der Verhandlung des Landesrahmenvertrages geht es um die Regelungen von
Rahmenbedingungen. Die in diesem Vertrag festgelegten Punkte müssen später
nicht mehr (erneut) mit den einzelnen Trägern verhandelt werden. Es werden also
zusätzlich zum Landesrahmenvertrag noch Einzelverträge mit den Trägern
verhandelt und abgeschlossen.
Bei diesen Verhandlungen geht es um Geld, um sehr viel Geld.
Nach den Erwartungen des Landesrechnungshofes müssen angesichts knapper
öffentlicher Mittel Einsparungsmöglichkeiten ausgelotet werden, ohne dem einzelnen
behinderten Menschen die für seine Teilhabe notwendige Hilfe zu versagen oder einzuschränken.
Aber es muss bei den Verhandlungen noch etwas anderes Wichtige im
Landesrahmenvertrag festgelegt werden: die Arbeitsbedingungen für das Personal.
Hier dürfen sich Kreisverwaltung und Kreistag nicht aus der Veranstaltung stehlen.
Deshalb fordert DIE LINKE, dass das Verhandlungsergebnis vor der endgültigen
Unterschrift unter den neuen Vertrag im Kreistag Schleswig-Flensburg diskutiert und
abgesegnet wird.